Die 4 Tage Woche!
Vier Tage arbeiten und drei Tage frei! Arbeitnehmer*innen werden vorwiegend zustimmen – aber wie sieht es mit den Arbeitgeber*innen aus? Welche Vor- und Nachteile bringt die 4 Tage Woche?
Morten Hansen, Professor an der UC Berkeley, sagt klar: „Wir haben verrückte Arbeitszeiten!“ Am Anfang seiner Karriere hat er selbst 80 bis 90 Stunden gearbeitet. Er wurde stutzig als die gleich qualifizierte Kollegin im selben Alter bessere Arbeiten lieferte, ohne eine Überstunde geleistet zu haben. Das war der Start für seine Forschung. 5 Jahre lang hat er Arbeitsweisen von über 5.000 Managern und Arbeitnehmern untersucht. Er kommt zum Schluss: Schlaue Arbeitnehmer arbeiten weniger, dafür konzentrierter und selektiver. Schon mal gehört?:„Wer viel arbeitet, leistet auch viel.“ Stimmt schlicht nicht. Laut Hansen ist eine massive Beschäftigung nicht gleichbedeutend mit Erfolg.
Burnout und Depressionen gehören zu den psychologischen Belastungskrankheiten. Jede*r vierte beklagt sich über zu viel Stress. Müssen wir Stress akzeptieren? Es ist bereits seit langem bekannt, dass starre Arbeitszeiten für die meisten Arbeitnehmer*innen keinen Sinn machen. Manchmal bekommt man die besten Einfälle beim Spaziergang in der Natur. Inzwischen experimentieren mehrere Firmen mit der 4-Tage-Woche, alternativ mit dem 5-Stunden-Tag.
Mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbies
Michaela Haas von der Süddeutschen Zeitung wünscht sich wie 1 Million andere Deutsche die 4 Tage Woche um mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbies zu haben. Die Woche beginnt mit 5 Tagen Arbeit. Der Samstag ist dann meist mit Wohnung putzen, Wäsche waschen, bügeln und sonstige Besorgungen verplant. Es bleibt dann nur mehr ein Tag für Familie, Freunde, Hobbies und Entspannung. Kein Wunder, dass einige am Montag müder sind als den Rest der Woche!
Produktivität steigert sich
Studien der Stanford Universität bestätigen: Durchschnittlich arbeiten wir pro Tag 2,5h hochkonzentriert. Der Rest geht für Unterbrechungen, Kaffeepausen, Sitzungen etc. drauf. Mitarbeiter sind vielleicht 8 Stunden körperlich anwesend, aber wie sieht es mit der Produktivität aus? Klar, der Plausch mit den Arbeitskolleg*innen ist auch wichtig. Lasse Rheingans, Chef des Unternehmens Digital Enabler, führte den 5-Stunden-Tag ein. Seine Mitarbeiter*innen arbeiten täglich von 08:00 bis 13:00 Uhr, bei gleichem Gehalt und gleichem Urlaubsanspruch. Die meisten seiner Mitarbeiter*innen treffen sich im Anschluss beim Mittagessen um sich auszutauschen. Andreas Stückl, Mitgründer des Unternehmens Bike Citizens, führte in seinem Unternehmen die 4 Tage Woche ein. Er bestätigt, dass er mit seinem Unternehmen viel effizienter arbeitet. Er glaubt nicht, dass die Einführung der 4-Tage-Woche der Wirtschaft schaden würde.
Nicht jede Arbeit kann auf eine 4-Tage-Woche umstellen. Das ist den beiden obengenannten Chefs auch bewusst. Ein Pflegeheim in Göteborg musste den Versuch abbrechen.
Gesundheit
Das Übliche: Weniger Stress beugt Krankheiten vor. Außerdem steigt durch immer mehr Arbeit das Risiko an Rückenschmerzen, Herzinfarkte und Schlafstörungen zu erkranken. Längere Arbeitszeiten bedeuten eine höhere Ermüdung und weniger Konzentration. Nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch auf dem nach Hause weg. Der Umkehrschluss: Kürzere Arbeitszeiten bedeutet nicht nur höhere Produktivität und Konzentration, sondern auch gesündere Mitarbeiter*innen.
Kreativität steigt
Google Gründer Larry Page ist überzeugt, dass es falsch ist wie wahnsinnig zu arbeiten. Gemunkelt wird zwar, dass Google Mitarbeiter selten die Welt außerhalb der Google Büros sehen, dennoch dürfen sie 20 Prozent ihrer Arbeitszeit frei verwenden, um z.B. zu träumen oder für Sport. Ist der Kopf frei, kann Neues entstehen. Schon so manche geniale Geschäftsidee ist genau so entstanden.
Besser organisiert
Kennst du Zeitfresser? Ewigdauernde Sitzungen, ständige Unterbrechungen unter anderem auch durch das private Smartphone? Unternehmer, welche die 4 Tage Woche einführen, überprüften alle Abläufe im Unternehmen. Welche Meetings können verkürzt oder gestrichen werden? Wie kann die Kommunikation verbessert werden? Stückl testete die 4 Tage Woche für 6 Wochen. Das Resultat? Alle waren zufrieden und so bleibt er dem Modell weiterhin treu.
Zufriedenheit
Ja ja, die Work-Life-Balance . Auch schon gehört, oder? Man kann es als Arbeitgeber verdrängen oder akzeptieren. Inzwischen ist eine Ausgeglichenheit zwischen Arbeit und Privatleben zwei Dritteln der Arbeitnehmer*innen wichtig; noch vor Gehalt und Jobsicherheit. Gerne zeigen Mitarbeiter*innen viel Engagement für neue Projekte, aber nicht als Dauerzustand. Hansen stellt fest: Wer dauerhaft mehr als 40 Stunden arbeitet, zahlt dafür früher oder später die Rechnung in Form sinkender Lebensqualität.
Andere Vorteile
Arbeitnehmer*innen können von einem drei-tägigen Wochenende natürlich profitieren. Unter anderem können Sie die Zeit nutzen für Fortbildungen und Kurzreisen. Werden nur mehr 4 anstatt 5 Tage gearbeitet reduzieren sich die Fahrtkosten zur Arbeit.
Gibt es Nachteile?
Klar gibt es diese. Auch wenn man im Internet vorwiegend Vorteile findet. Z.B. benötigt man Zeit für die Kontaktpflege. Fällt ein Arbeitstag weg, fehlt unter anderem auch diese Zeit. Laura Vanderkam, Expertin für Zeitmanagement, befürwortet die Einführung flexibler Arbeitszeiten, rät jedoch von einer pauschalen Reduzierung der Arbeitszeit ab. Manche Unternehmen passen verschiedene Ansprüche wie z.B. den Urlaubsanspruch auf die verkürzte Arbeitszeit an. Andere Unternehmen behalten die 40 Stunden Woche bei, teilen aber einen Arbeitstag auf die restlichen 4 Arbeitstage auf. 10 Stunden Arbeit für 4 Tage können einige vielleicht schaffen. Ob sich die Mehrheit für 10 Stunden pro Tag konzentrieren kann? Arbeitende Eltern finden auch so schon kaum eine passende Kinderbetreuung . Werden die gesamten 40 Arbeitsstunden auf 4 Tage aufgeteilt, dann kommen Eltern noch mehr in die Bredouille. Sollten dann noch Überstunden anfallen, wird es sehr schwierig. Der eigentliche Sinn der 4-Tage-Woche ist die Reduzierung der Arbeitsstunden. Dieses Ziel wäre mit diesem Modell sowieso verfehlt. Freitag für alle frei bedeutet längere Wartezeiten für Supportanfragen und fehlende Freitagsumsätze. Dem kann eine Art Jobsharing entgegenwirken. Nicht vergessen sollte man zudem, dass nicht jede Person am Freitag den freien Tag genießen möchte. Das Team könnte man theoretisch auch teilen: die Hälfte am Montag, die andere Hälfte am Freitag. Außerdem sollte man etwas Wichtiges beachten: Der italienische Gesetzgeber räumt nicht unbedingt den Weg frei für dieses Arbeitsmodell.
Ist es für alle Branchen umsetzbar? Eher nicht. Eine flächendeckende Umsetzung ist daher kaum möglich. Wie bereits erwähnt, können Patienten in einem Pflegeheim oder Krankenhäuser nicht plötzlich schneller behandelt werden. Eine kürzere Woche für Journalisten? Tja und an drei Tagen die Woche passiert einfach nichts? (Gut vielleicht würden wir dann weniger von negativen Nachrichten berieselt werden). Vielleicht ist die 4-Tage-Woche für manche Branchen nicht umsetzbar – aber dafür vielleicht ähnliche Modelle?
Für Profis gibt es dann schon die Überlegung der 3-Tage-Woche. Ehrlich jetzt, kein Scherz! Eine neue Studie des Melbourne Institutes bestätigt, dass Menschen über 40 am produktivsten sind, wenn sie nur 3 Tage die Woche arbeiten. Was sagst du dazu? Lassen wir mal zuerst die 4-Tage-Woche in den Köpfen ankommen, oder?
Fazit: Die 4-Tage-Woche bringt sicherlich viele Vorteile. Die möglichen Nachteile sollte man nicht außer Acht lassen. Eine Testphase könnte Klarheit bringen und dann müssten auch bestimmte Regeln zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen werden. Das Modell ist auch sicher nicht für alle Generationen geeignet. Ideal sind Arbeitgeber wie z.B. die Raffin GmbH, welche die 4-Tage-Woche bereits eingeführt hat. Ihre Erfahrungen tragen vielleicht dazu bei, dass sich neue Arbeitszeitmodelle mittelfristig durchsetzen werden.
Fotoquellen: Freude, Hobbies, Kreativität, Fortbildung
Textquellen: hier, hier, hier, und